Weberschiffchen

Geschichtliches

Zur Geschichte ab 1800 und ab 1900.

1700

Das Weben gehört, nach der Holz- und Steinbearbeitung, zu den ältesten Handwerken der Menschheit und gilt bereits seit 32.000 Jahren als nachgewiesen, erheblich länger als die Töpferei. In den Grabkammern des ägyptischen Altertums sind Gewebereste von Gewändern nachgewiesen worden. Die Herstellung von Wolle und Flachs für den Eigenbedarf war bereits seit dem Mittelalter in vielen Regionen selbstverständlicher Bestandteil des ländlichen Lebens und auch in Peitz gab es sicherlich seit den Anfängen einige Weber.

Seit im 13. Jahrhundert Weber aus Flandern das Spinnrad mit nach Cottbus brachten, sind in der Niederlausitz immer wieder Flächen zugunsten des Flachsanbaus und der Schafweide gerodet worden. Das Tuchmachergewerbe war zu einem wichtigen Wirtschaftszweig geworden und Tuche wurden, nach einer Unterbrechung in Folge des 30-jährigen Krieges, bis nach Böhmen und Skandinavien gehandelt.

Ehe Friedrich der Große 1763 die Peitzer Oberfestung für einen Tuchmacherstandort zur Pacht anbietet, bestand rund um Peitz in Cottbus, Frankfurt/Oder und Beeskow eine Jahrhunderte alte Tradition des Tuchmachergewerbes. Auch in den umliegenden sächsischen Orten Forst, Spremberg, Vetschau und Guben wurden Tuche produziert. Außer einem Angebot für eine Cattunmanufaktur mit einem ungenügenden Geschäftsmodell interessierte sich keiner aus der Zunft der Tuchmacher für das Peitzer Projekt. So berichtet die Neumärkische Kammer in Küstrin am 25.05.1765 an das Generaldirektorium im Berlin:

Die Ansiedlung von Tuchmachern in Peitz hat ungenügende Konditionen. /1/ S. 43-44

Dieser erste Versuch schlug fehl.

Erst 1767 gelang es dem Kriegsrat KRUSEMARK zwei Tuchmacher (HANISCH aus Forst und GRIMM aus Spremberg) nach Peitz zu holen. Beide Familiennamen stehen auch heute noch im Peitzer Adressbuch. Beide siedelten sich auf einer der 32 wüsten Stellen an, die die Feuersbrunst von 1758 hinterlassen hatte. /19/ Im Jahr 1768 wollen unter der Führung des Tuchmachermeister SCHREBLER weitere 20 Tuchmacher aus den Brühl’schen Fabriken in Forst und Pförten nach Peitz. Der König will sie aber in Wriezen ansiedeln, das ist nördlich von Berlin, weil dort fertige Häuser seien. Vielleicht war ihm aber auch Peitz mit seinen ungenügenden Konditionen nach seinem vor fünf Jahren missglückten Versuch nicht mehr der rechte Ort. Nun setzt sich der Peitzer Bürgermeister KIRCHHOFF vehement für die Ansiedlung dieser 21 Tuchmacher aus den BRÜHL’schen Fabriken und weiteren 4 Tuchmachern und einem Garnweber aus Sommerfeld ein und erreicht letztlich nach fast einem ¾ Jahr ihren Zuzug nach Peitz.

Die Ansiedlung dieser 25 Familien mit 96 Personen kostete die Summe von 3043 Talern und 9 Groschen. Dies war der Grundstein für Peitz als Tuchmacherstandort. 1769 kamen noch 3 Garnweber und 6 Tuchmacher dazu, darunter die gut ausgestatteten und kapitalkräftigen Tuchbereiter BEREIN mit seinem Sohn Johann Gottlieb und der Tuchmachermeister Samuel Gottlob GRÜNDER mit seinem Sohn Gottlob Traugott GRÜNDER. /19/ BEREIN und GRÜNDER erwarben ein Mittelhaus in der Unterfestung.

Festungsweg, Quelle: diese Webseite
Festungsweg Peitz (hervorgehoben) an dem sich die Tuchmacher zuerst ansiedelten. Am nördlichen Ende des Festungsweges befand sich das Lieberoser Tor und am südlichen die Zitadelle mit dem Festungsturm (Wollmagazin).

Im Königreich Preußen fanden zu dieser Zeit mehrere derartige Ansiedlungen statt. Ähnliches gab es zum Beispiel in Kloster Zinna bei Jüterbog. Bereits Friedrich Wilhelm I. förderte solche Ansiedlungen wie z.B. im nahegelegenen Cottbus. Peitz war aber noch eine Festungsstadt und in seiner wirtschaftlichen Entwicklung gehemmt.

Die Peitzer Tuchmacher mussten in den nächsten vier Jahren mit widrigen Umständen fertig werden, einige wie GRUPE, FRANKE und EHRLICH verarmten und flüchteten zurück nach Sachsen in die Städte Forst, Guben und Spremberg. Ursache war ein nicht organisierter Kauf der Wolle. Die Kapitalkräftigen und die Tuchmacher mit noch funktionierenden alten Beziehungen waren im Vorteil. Nachteilig für alle war, dass die versprochene Walke nicht gebaut wurde und sie ihr halbfertiges Tuch nach Cottbus zur Walke und Appretur bringen mussten. Zudem waren die Quartiere für kinderreiche Familien zu klein und teilweise in einem schlechten Zustand. Am schlimmsten wirkte sich aber die Hochwasserkatastrophe im Juli 1771 aus. Ein ungewöhnlich andauernder starker Regen hatte die Spree überlaufen lassen und auch die Malxe verließ durch Rückstau ihr Bett und ergoss sich über die Laßzinswiesen. Daran waren die Peitzer gewöhnt. Aber dann brach ein Damm an der Neiße und das Hochwasser floss in die Niederung der Malxe. Peitz war Monate bis auf einen kleineren nordwestlichen Teil vom Wasser eingeschlossen. Die Ernte war vernichtet, Vieh musste wegen Futtermangel notgeschlachtet werden. Die Preise schnellten in die Höhe. Weihnachten kostete ein Viertel Getreide 1 Taler 18 Groschen. Man hungerte und Brotgetreide wurde mit Knöterich und Spreu gestreckt. /1/

1773 brachte die Obrigkeit den Cottbuser Kommerzienrat Christian Ludwig LIERSCH als Verleger für die Peitzer Tuchmacher unter Vertrag. Für acht Jahre war der Wolleinkauf und der Tuchverkauf geregelt und stabilisierte die Situation bei steigenden Gewinnen. Im Festungsturm wurde ein Wollmagazin und eine Wohnung zum Zwecke der Aufsicht eingerichtet. Auf Staatskosten wandelte der Maurermeister RICHTER die Alte Wache an der Malxe vor dem Cottbuser Tor in ein Färberhaus um. Der größte Fortschritt ergab sich, als das Hüttenamt dem Mühlenmeister HÖHLE gestattete, unweit vom Hüttenwerk am Hammerstrom eine Öl- und Walkemühle zu bauen. /1/ S. 56. Von diesem Mühlenstandort zeugen heute noch die beiden Walketeiche am Hammergraben südlich des Hüttenwerkes.

1776 übernimmt der Sohn des Tuchbereiters BEREIN Johann Gottlieb das Amt des Bürgermeisters und kümmert sich außerordentlich geschickt, umsichtig und bis zu seinem Tode 1812 tatkräftig um die Belange der Stadt und besonders die der Tuchmacher. Bereits wenige Monate später gründete er mit Gottlob GRÜNDER nach den Regeln des Generalprivilegium und Gülde Brief der Tuchmachergewerke in der Chur und Mark Brandenburg vom 8. November 1734 eine Peitzer Zunft der Tuchmacher. Diese können nun ihr gutes Tuch unter eigenem Namen verkaufen und ihre Angelegenheiten in eigener Zuständigkeit verrichten. Bürgermeister BEREIN stellt die Gruppe der Leineweber unter die Aufsicht des 1. Senators. Die Tuchscherer blieben in ihrer Cottbuser Zunft. Der Einkaufspreis für ein Stück Tuch lag bei 9 Reichstalern und 21 Groschen, der Verkaufspreis durchschnittlich bei 18-19 Reichstalern. Der Gewinn lag damit bei einträglichen 80-90 %. Allein in den beiden Jahren 1779 und 1780 wurden 910 Stück Tuch hergestellt und dieses Handwerk war für Peitz ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. /1/ S. 58-60. 1780 tätigen die Innungsmeister Ernst WEINERT (Oberältester) und Gottlob GRÜNDER (Nebenältester) eigenmächtig Einkäufe von Wolle.

Am 23. 08. 1780 beschwert sich wegen dieser Eigenmächtigkeit der erboste Verleger LIERSCH bei der zuständigen Kammer der Königlichen Regierung und kündigt seinen Vertrag zu Ende August 1781. Diese nimmt für LIERSCH unerwartet die Kündigung an. Die Peitzer Tuchmacher haben ein weiteres Stück Selbstständigkeit gewonnen.

In einer großen Beratung am 31.05.1781 im Peitzer Rathaus wird die aktuelle Lage und die Zukunft des Peitzer Tuchmachergewerks diskutiert. Von den mit SCHREBLER angesiedelten Tuchmachermeistern sind noch 15 im Ort. 4 waren heimlich geflüchtet, einer (Spahn) wurde Soldat und 3 (Vater SCHREBLER, FEHR, GREBERT) sind gestorben. Mit den Zugezogenen und den Söhnen, die Tuchmachermeister geworden sind, arbeiten wieder 24 in der Stadt. Nach der Quelle /1/ S. 63-70, die auch detaillierte Angaben zum Besitz und zur Produktion der Tuchmacherfamilien enthält, sind es: Michael BRAUN, Johann Gottlob BUCHHOLZ, Witwe GRIMM, Johann Gottlob GRÜNDER, Ephraim HANISCH, Johann Adam HECKSTEIN, Christoph Herrendorf, Gottlob HOFFMANN, Johann August HOFFMANN, Johann Friedrich KOEHLER, Johann Gottfried LAUBISCH, Johann Gotthilf MEYER, August POHLE, Emanuel REMPEL, Gottlob REMPEL, Christian Heinrich RÜDE, Daniel Gottfried RÜFFER, Johann Gottfried SCHREBLER, Christian SCHWANHÄUSER, Christian SCHÜLER, Christian Gottlob STANGE, Gottfried STANGE, Johann Gotthilf STANGE, Erich WEINERT.

Kurz vor Auslaufen des Vertrages mit dem Verleger LIERSCH lässt Bürgermeister BEREIN auf eigene Kosten das Wollmagazin mit Wolle füllen, damit die Peitzer Tuchmacher ohne Störung weiter produzieren können. Die Auslagen werden ihm allmählich erstattet. Der letzte Wechsel erst im Jahr 1792 eingelöst. /1/ S. 73-76

1786 arbeiten 30 Tuchmachermeister in der Stadt. Das Edikt Friedrich des Großen vom 30.08.1770 mit verbesserten Zusagen für die Ansiedlung aus dem Sächsischen brachte für das Peitzer Tuchmacherhandwerk keinen erwarteten Zuwachs. Der Zuzug wurde durch folgende Konditionen begünstigt:

Außerdem wurde Peitz ein Zuschuss zur Anlage einer Tuchwalke in Aussicht gestellt und einem zu findenden Verleger ein Gnadengeschenk von 800 Talern gewährt. 10 Peitzer Tuchmachermeister wohnten noch mit ihren Familien in den engen Soldatenbuden mit defekten Fußböden, Dächern und Öfen. Am 28.02.1787 bieten sie der Obrigkeit an, die Reparaturen auf eigene Kosten ausführen zu lassen, wenn sie die Häuser in Erbpacht erhalten würden. Dem wurde stattgegeben. Der Erbkanon beträgt im Quartal 18 Groschen. /1/ S. 77-78.

1788 waren weitere 20 Tuchmachermeister in Peitz ansässig und die Jahresproduktion lag bei 1700 bis 1800 Stück. Ursächlich für den erfreulichen Anstieg der Niederlassungen waren neben den Bemühungen des Bürgermeisters BEREIN wahrscheinlich auch die 1784 durch einen gewaltigen lang andauernden Vulkanausbruch des Laki auf Island ausgelöste europaweite Missernten zweier Jahre. Ein Neustart in Peitz bekam bei der länger währenden Nahrungsmittelknappheit mit einem kleinen Stück Garten oder Wiese oder der Möglichkeit ein oder zwei Stück Vieh zu halten besondere Anziehungskraft.

In der Stadt arbeiteten auch schon vier Tuchbereiter, die der Cottbuser Zunft der Tuchscherer angehörten. /1/ S. 76. Darunter war auch Johann Christoph KUHNERT, der 1790 das ehemalige Amtshaus Markt 22 kaufte. KUHNERT hatte 1776 eine unehelich geborene Christiane Dorothea KLAHR geheiratet. Dies veranlasste seinen Gesellen zu kündigen, um nicht als unehrlich zu gelten. KUHNERT hatte seit 1777 ein von der Regierung in Frankfurt/Oder ausgestelltes Legimationspatent, denn Kaiser Karl VI. hatte bereits 1731 verfügt, dass Meistern kein Vorwurf gemacht werden darf, wenn sie eine außer der Ehe gezeugte Frau heiraten. Die Innungsmitglieder blieben jedoch bei ihrem Vorurteil und KUHNERTs Gewerk kam als „faul“ in Verruf. Zudem verweigerten sie auch 1799 seinem Sohn die Entbindung von der Wanderschaft.

1796 kam der Appreteur Friedrich STÖHR aus Cottbus nach Peitz, der in der heutigen Lutherstraße 3 eine Appretur mit einem Roßwerk betrieb. /5/ Sein Sohn Ferdinand und sein Enkel Carl Friedrich trugen später maßgeblich für die Entwicklung der Stadt zur einzigen Industriestadt des Landkreis Cottbus bei.

Vor dem Beginn des 19. Jahrhunderts fertigten die Peitzer Tuchmacher im Jahr über 2100 Stück Tuch mit einem Verkaufswert von über 50000 Talern an. Das Tuchmachergewerk in Peitz hatte seinen Platz im Woll- und Tuchhandel gefunden.

1800

1802 waren 21 Tuchmachermeister bereits Hauseigentümer, die ersten besaßen sogar ein Großhaus. Während des Krieges vergrößert sich der Abstand zwischen den begüterten und den um ihre Zukunft bangenden Tuchmachern, denn Wolle war so schwierig zu bekommen, dass der Bürgermeister BEREIN sich veranlasst sah, der sächsischen Verwaltungskommission flehendlich die arge Situation in Peitz zu schildern, da mit dem Niedergang der Tuchmacher der Ort "nahrlos" wird. Aus dem Wolllager im Turm war ein Verpflegungslager für die durchziehende Truppe geworden. 6 Tuchmacherfamilien verarmten total. /1/

Als 1813 der Cottbuser Kreis eine Reiterschwadron und ein Landwehrbataillon aufstellt, ergab sich für die Tuchmacher reichlich Arbeit. Sie war so wichtig, dass bei der Aushebung im Juli 8 Peitzer Tuchmacher freigestellt wurden. In zwei Monaten hatten allein die Peitzer für 1168 Taler Tuch hergestellt und da umgehend bezahlt wurde, war wieder etwas Geld in der Stadt. /1/

Mit dem Kriegsende blieb die große Nachfrage erhalten. Zudem kam man mit der wiedererlangten preußischen Verwaltung auch in den Vorzug der Stein-Hardenberg’schen Reformen. Der Zunftzwang war mit dem Preußischen Gesetz über die Gewerbefreiheit vom 07.09.1811 aufgehoben. Auch das Gutsherrenrecht war reformiert, die Leibeigenschaft und die Erbuntertänigkeit waren abgeschafft. Die Preußische Steuerreform von 1819 hob die Schutzzölle und Importverbote auf. Auch in Peitz wurden viele Manufakturen der Tuchmacher neu gegründet und vorhandene erweitert.

Bereits 1816 gab es in Peitz 3 Maschinenspinner mit einem eigenen Gewerbe. Dies waren HANKE in der heutigen Lutherstraße 1, HESSE in der Lutherstraße 4 und ALBRECHT in der Lutherstraße 5. 1818 kamen noch vier Maschinenspinner aus Guben dazu.

Am 09.10.1826 wird in Peitz eine Walkerkorporation innerhalb des Tuchmachergewerks gegründet. Eine Art Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung. Die von 78 Meistern aufgestellte Satzung wird am 02.11.1826 durch die Frankfurter Regierung bestätigt. Die bisherige Peitzer Walke am Hammergraben, südlich des Eisenhüttenwerkes wird aufgekauft und modernisiert. Der erste Walkmüller ist Meister STUMPFF, der 1.000 Taler zur Modernisierung vorgeschossen hatte. Vom Domänenfiskus wird weiterhin ein 19 Quadratruten großes Grundstück an der Malxe erworben. Darauf wird ein Färbehaus gebaut. /1/ S. 82-83

Obwohl William COCKERILL 1816 in Guben die erste Wollspinnmaschine erfolgreich aufgebaut hatte, setzten die Peitzer Tuchscherer der Mechanisierung vereinten Widerstand entgegen. Der Mechaniker BERGER aus Forst bekam es als erster zu spüren. Er legt im Sommer 1827 der Frankfurter Regierung einen Plan für eine mechanische Spinnerei vor. Die Behörden stimmen diesem Plan zu. Die mechanische Spinnerei soll unterhalb Peitz an dem sogenannten Walk- oder Oehlmühlgraben, da wo derselbe in die Malxe mündet entstehen. Nach Bekanntmachung des Vorhabens durch den Landrat im Amtsblatt der Regierung, der Vossischen Zeitung und im Cottbuser Wochenblatt, gibt es viele Proteste. Diese Proteste kommen vom Oberbergamt Berlin, dem Peitzer Hüttenamt, dem Oberamtmann ROEMELT, den Peitzer Wollspinnern und den Ottendorfer Kolonisten. Man befürchtet u.a. Schäden am Hammerwerk und Überschwemmungen. Daraufhin wird der geplante Standort verlegt. Neuer Standort ist die Abzweigung des Grabens vom Hammerstrom. Die mechanische Spinnerei wird gebaut und ging wahrscheinlich im Frühjahr 1828 als erster industrieller Tuchmacherstandort in Betrieb. /1/ S. 88-89

Siegel des Tuchmachergewerks zu Peitz 1828, Quelle: diese Webseite
Das Siegel des Tuchmachergewerks zu Peitz von 1828 ist heute noch erhalten und befindet sich in Privatbesitz. Es zeigt 2 gekreuzte Bögen zum Schlagen der rohen Wolle und 2 Kardierbürsten, die sich darüber und darunter befinden. Seitlich sind 2 Löwen und oben eine Krone angebracht. Ein Symbol für das königliche Brandenburg.

Am 06.02.1830 besteht das Tuchmachergewerk Peitz aus 82 Meistern. /1/ S. 87

Bei den Stadtverordnetenwahlen vom 18.-19.12.1831 wurden gleich mehrere Tuchmachermeister gewählt. Die Stadtverordneten des 1. Bezirks (Stadt Peitz ohne Vororte) waren /7/ S. 299:

  1. Friedrich ENDE, Hausbesitzer u. Tuchmachermeister
  2. Christian KEIL, Mietsbürger u. Tuchmachermeister
  3. Wilhelm STEMPEL, Hausbesitzer u. Apotheker
  4. Friedrich ZIMMERMANN, Hausbesitzer u. Kaufmann
  5. Gottfried WEISE, Mietsbürger u. Tuchmachermeister
  6. Karl CLAMANN, Hausbesitzer u. Tuchmachermeister
  7. Friedrich BRAUN, Hausbesitzer u. Tuchmachermeister

Zu Stellvertretern wurden gewählt /7/ S. 299-300:

  1. Karl BARTUSCH, Hausbesitzer u. Schuhmachermeister
  2. Emanuel KOPPE, Mietsbürger u. Tuchmachermeister
  3. Gottlob BUCHHOLZ, Hausbesitzer u. Tuchmachermeister
  4. Andreas RÜDE, Mietsbürger u. Tuchmachermeister
  5. Wilhelm HASSE, Mietsbürger u. Apotheker
  6. Karl GLETTE, Hausbesitzer u. Böttchermeister
  7. Emanuel PLENZ, Hausbesitzer u. Tuchmachermeister

Dieses Wahlergebnis zeigt, wie bestimmend die Tuchmacher damals in der Stadt Peitz waren. Von den insgesamt 14 gewählten Vertretern im Stadtparlament hatten 9 (64 %) einen Bezug zur Tuchfabrikation. Friedrich ENDE wurde zudem von den Stadtverordneten zum Vorsitzenden gewählt. /7/ S. 300

Weitere Funktionen hatten der Tuchfabrikant EYDIENER als Beigeordneter und der Färbermeister WUßLAUGK als Senator. /7/ S. 301

1834 erleichtert der Deutsche Zollverein den Wettbewerb und immer mehr Betriebe produzieren vom Wollspinnen bis zur Appretur selbst. /21/ Vorerst war in Peitz die weitere Mechanisierung auf das Spinnen beschränkt. So baute um 1835 der Tuchmachermeister Carl Ferdinand! STÖHR (1804-1842) auf einer wüsten Stelle neben der Malzhausbastei ein Wohnhaus mit Wollwerkstatt und stockte dieses 1838 mit einem Websaal auf. /5/ Er hatte keine Wasserkraft zur Verfügung und war der große Gegenspieler zu BERGER. 1837 folgte Traugott GRÜNDER (1795-1891) aus der Mittelstraße 3 mit einer Fabrik auf dem Grundstück Markt 9, dass bis zur Mauerstraße reichte und damals flächenmäßig die größte Fabrikanlage nach dem Hüttenwerk war. 1840 folgte der Senator und Tuchfabrikant Carl LOHR (1815-1877) und baute seine Fabrik in der Mauerstraße 10 neben die des Tuchfabrikanten STÖHR.

Im Amtsblatt der Königlich Preußischen Regierung zu Frankfurt/Oder wird am 27.01.1843 bekannt gemacht, dass die Tuchfabrikanten GRÜNDER, RUNDORF, BOYDE, LEHMANN, BEREIN und STÖLZEL zu Peitz beabsichtigen, bei dem sogenannten Sandberge (heute Friedhof Triftstraße) daselbst an einem neu anzulegenden Graben, der das Wasser unterhalb des Königl. Eisenhüttenwerkes aus dem Hammerstrom aufnehmen und bei Peitz vor der Färberei in den Malxfluss einmünden soll, eine Wollspinnerei anzulegen. Diese Spinnerei ist jedoch nie gebaut worden.

1847 baut der Peitzer Baumeister DEUTSCHMANN für den Tuchfabrikanten Julius SCHULZE in der Dammzollstraße 52, damals Cottbuser Vorstadt 1, eine Fabrikanlage. Hier steht im Sommer 1853 die erste Peitzer Dampfmaschine anstatt eines Roßwerkes. Um 1850 folgt der Tuchfabrikant Traugott GRÜNDER und baut im Plantagenweg 3 eine größere Fabrikanlage. Hier steht im Herbst 1853 die zweite Dampfmaschine. Gefeuert wird noch mit Torf. /5/ Die dritte Dampfmaschine steht 1856 in der Tuchfabrik von Carl SCHULZ in der Cottbuser Straße 14. Auch BERGER nutzt in seiner Fabrik in Ottendorf seit 1836 die Dampfkraft. 1859 zieht der bis dahin am Lutherplatz 6 produzierende Tuchfabrikant Carl BOYDE mit einem größeren Fabrikbau mit Kesselhaus an der Malxe in der heutigen Schulstraße 8 nach. Mit BERGER, GRÜNDER, den Brüdern SCHULZ, BOYDE und STÖHR hat sich eine Gruppe vermögender Peitzer Tuchmacher gebildet. Traugott GRÜNDER und Julius SCHULZ sind die ersten Peitzer Tuchfabrikanten, die alle Arbeitsschritte vereinen und ihre Stoffe von der Wollbereitung bis zur Appretur fertigen.

Ab dem 01.03.1858 wurde das Eisenhüttenwerk Peitz für 20 Jahre verpachtet. Pächter waren Georg BERGER zu Georgenhof und seine beiden Söhne Moritz BERGER, Tuchfabrikant und Heinrich Georg BERGER, Besitzer der Maustmühle. Die Pachtsumme betrug 3021 Taler/Jahr. Die mitbietenden 9 Tuchmachermeister:

  1. Carl LOHR
  2. Gottlob LEHMANN
  3. Carl BOYDE
  4. Fr. RÜGER
  5. E. BUCHHOLZ
  6. Carl GRAF
  7. Gottlob BRAMKE
  8. Christian STÖLZEL und
  9. Julius GLETTE

gingen leer aus. Sie behielten aber wahrscheinlich die Pacht der Tuchwalke an der Cottbuser Straße (alte Dammzollstraße). Die Gießerei und die Stabeisenproduktion wurden durch BERGER & Söhne in geringerem Umfang fortgeführt. Einige Hütten-Gebäude wurden umgebaut und für die Tuchproduktion genutzt. /8/ S. 117-118

Im Jahr 1861 wurde der Hochofenbetrieb im Eisenhüttenwerk Peitz durch BERGER & Söhne endgültig eingestellt. Hammer und Schachtofen liefen bisher als Nebenbetrieb. Die Tuchfabrik stellte spätestens ab 1861 den Hauptbetrieb dar. Das Schmiedewerk (Hammer) und der Kupolofen zum Umschmelzen von Roheisen liefen noch einige Jahre weiter. /8/ S. 120

In der Folge erweiterte LOHR seinen Standort in der Mauerstraße 10, Gottlob LEHMANN mit seinen Söhnen Emanuel und Emil das Grundstück Markt 19 am Paradeplatz, Friedrich RÜGER verließ seinen Standort in der Lutherstraße 6 bei Theodor BERGER und baute gegenüber von BUCHOLZ in der Cottbuser Straße 14. 1862 hatte er alle seine Fabrikfenster hell erleuchtet, als vor Mitternacht der König von Cottbus nach Guben kommend Peitz passierte und hier an der Post die Pferde wechselte.

1866 werden in Peitz bereits 16.000 Stück Tuch hergestellt. Aneinandergereiht entspräche das einer Strecke bis Jena. Die neue Gewerbeordnung von 1869 gestattet Herstellung, Beschäftigung und Preisbestimmung nach eigenem Ermessen./22 Damit war die Rechtsordnung der Zünfte endgültig gebrochen. So geht der Aufstieg der Peitzer Textilindustrie besonders in den sogenannten Gründerjahren 1871-1873 mit der rasanten Entwicklung des Maschinenbaus weiter. Die Stadt zählt 1875 insgesamt 4.109 Einwohner. Die Großfamilien SCHULZE und BUCHHOLZ erweitern ihre Produktion in der Cottbuser Straße und der Dammzollstraße, Carl BOYDE errichtet eine neue moderne Fabrik in der Schulstraße 6. BERGER & Söhne nutzen still gelegte Gebäude des Hüttenwerkes und Traugott GRÜNDER findet in seinen Schwiegersöhnen Carl STÖHR und Otto KRÜGER fähige Teilhaber, die mit seinem Sohn Herrmann die Fabrik als "Herrmann Gründer & Co." weiter ausbauen. Der Aufschluss der Braunkohlenlagerstätten in der Niederlausitz und der 1871 erfolgte Anschluss an das Bahnnetz über den Bahnhof Peitz-Ost sowie 1876 über den Bahnhof Peitz-Stadt verbesserte den Warenverkehr und den Standortvorteil.

Der Bahnhof Peitz-Stadt im Jahr 2018, Quelle: diese Webseite
Der Bahnhof Peitz-Stadt im Jahr 2018. Das Gebäude steht derzeit leer.

Die Depression nach der durch französische Reparationszahlungen überhitzten Konjunktur zwang die Fabriken der Brüder Carl und Julius SCHULZ und von BERGER in die Insolvenz. Die Fabrik von Julius SCHULZ in der Dammzollstraße 52 sowie 1880 die von Carl GRAF in der Cottbuser Straße 14 und die des verstorbenen Theodor BERGER in Ottendorf wurden Bestandtei der Hermann Gründer & Co. einer der größten Peitzer Textilfabriken. Die Fabrik von Carl SCHULZ erwarb Emanuel BUCHHOLZ. Herrmann GRÜNDER modernisierte den Maschinenpark und stellte statt der Tuchmacher aus Peitz wendische Frauen aus den umliegenden Dörfern ein. So gingen weitere Arbeitsplätze für Peitzer Bürger verloren und nach BERGER’s Konkurs hatte Peitz nur noch 3.601 Einwohner.

1877 müssen auch Emil LEHMANN und Carl BRAMKE ihre Tuchfabriken schließen. Emil BUCHHOLZ kauft die Fabrik von Carl SCHULZ in der Cottbuser Straße 14 und steigert die Tuchproduktion in den nächsten zehn Jahren auf 100.000 Stück. Mit GRÜNDER und BOYDE, der zur Erweiterung seiner Fabrik in der Schulstraße sogar das Bett der Malxe ostwärts verlegt, haben sich drei große Peitzer Tuchfabriken gebildet, die trotz gemindertem Absatz in das Ausland und gestiegenen Wollpreisen der Konkurrenz aus Forst und Cottbus sowie den neuen Zentren Görlitz und Brandenburg /22/ standhalten. Mit Modernisierung und Erweiterung des Maschinenparks (die Länge der gewirkten Tuche war in den letzten vierzig Jahren von 16 bis auf 38 m gestiegen, mechanische Webstühle deutscher Produktion mit erhöhtem Schützenwechsel verdrängten die Handwebstühle, Einssatz von Zylinderwalken, Einsatz von Anilinfarbstoffen u.a.) und Erstellung von Musterkollektionen werden Produktivität und Absatz verbessert. Auch die Vorarbeiten der Weberei (Spulen, Zwirnen, Scheren, Leimen und Aufbäumen) werden seit 1870 mechanisiert./22/

1883 ist der Georgenhof in Ottendorf wieder ein Meilenstein in der industriellen Produktion der Peitzer Textilindustrie. Herrmann GRÜNDER elektrisiert seine Kammgarnspinnerei und erweitert seinen Betrieb am anderen Malxeufer. Es werden 366 Tonnen Wolle verarbeitet. Auf der Messe der Deutschen Wollindustrie in Leipzig erhält H. GRÜNDER einen zweiten Preis. /21/

1885 gibt es in Peitz 11 Tuchfabrikanten, die in 8 Fabriken insgesamt 820 Arbeiter beschäftigen. Die Jahresproduktion beträgt 20.000 Stück Tuch im Wert von 3 Millionen Mark. Es zeigen sich erste Absatzschwierigkeiten. Neben BUCHHOLZ und BOYDE produzieren noch die weniger bedeuteten JAHN, LEHMANN, PROTZE und SCHEIBICKE. In den Folgejahren geht die Produktion zurück, bis nur noch 3 Betriebe übrigbleiben. /1/ S. 100-101

1889 wird der Betrieb der Walkmühle des Peitzer Tuchmachergewerkes am Hammergraben südlich des Eisenhüttenwerkes eingestellt. Die Dampfmaschine und der Kessel werden für 1.700 M an den aus Ückermünde zugezogenen Mühlenbesitzer DAEHN verkauft. /1/ S. 84 Nach einem Großbrand im Ottendorfer Betriebsteil schlug Herrmann GRÜNDER 1889 der Gemeinde vor, eine freiwillige Feuerwehr zu gründen. Er stellt dazu zwei Löschwasserwagen, eine Handdruckspritze und einen Schlauchwagen zur Verfügung und spendiert für die persönliche Ausrüstung noch 200 Mark. Daraufhin wurde im Frühjahr 1890 die Ottendorfer Feuerwehr gegründet.

1891 stirbt der große Traugott GRÜNDER hoch betagt im Alter von 96 Jahren. Wie kein anderer spiegelte sein Leben den Aufstieg der Peitzer Tuchindustrie wider. Er hatte 1815 mit einem Webstuhl und 150 Talern Kapital in der Mittelstraße begonnen, 1837 die erste Fabrik in der Gubener Straße gebaut und zehn Jahre später mit dem Aufbau des Hauptwerkes der GRÜNDER'schen Fabriken im Plantagenweg 3 begonnen, sie 1853 auf Dampfkraft umgestellt und eine große Kammgarnspinnerei betrieben. Um 1870 setzte dann sein Sohn Herrmann mit den Schwiegersöhnen Carl STÖHR und Otto KRÜGER den Aufstieg des Familienbetriebes "Herrmann Gründer & Co." zur größten Peitzer Tuchfabrik des 19. Jahrhundert fort. Traugott GRÜNDER wird in einer Gruft auf dem Friedhof in der Dammzollstraße beigesetzt. Im Land Brandenburg sind Mausolen im klassischen Stil selten. Traugott GRÜNDER’s Vermögen soll ohne die vielen Grundstücke etwa 3 Millionen Mark betragen haben.

Die GRÜNDER'sche Gruft in Peitz, Quelle: diese Webseite
Die Gruft der Familie GRÜNDER auf dem Friedhof in der Peitzer Dammzollstraße

Am 01.03.1892 empfiehlt eine außerordentliche Generalversammlung des Tuchmachergewerks im Rathaus Peitz die Liquidierung der Innung wegen Überschuldung. An der Generalversammlung nehmen teil:

1894 verstirbt auch Herrmann GRÜNDER. Sein Sohn Julius und sein Neffe Bruno übernehmen die Firma als Kommanditgesellschaft mit persönlicher Haftung unter dem Namen "Gründer & Co. Tuchfabrik und Kammgarnspinnerei". Das Arbeiterpersonal besteht weiterhin vorrangig aus wendischen Frauen der umliegenden Dörfern, wie das Foto aus dem Jahr 1893 zeigt.

GRÜNDER'sches Arbeiter-Personal im Jahr 1893, Quelle: diese Webseite
Das GRÜNDER'sche Arbeiterpersonal im Jahr 1893

1895 wird das Grundstück der Walkmühle des Peitzer Tuchmachergewerkes am Hammergraben südlich des Eisenhüttenwerkes für 6.000 M an den Domänenfiskus verkauft. Es wird wieder mit dem Hüttenwerk vereinigt. /1/ S. 84

Am 04.05.1896 findet im Schützenhaus Peitz die letzte Innungsversammlung der Tuchmacher statt. Das Tuchmachergewerk Peitz wird einstimmig aufgelöst. Es gibt kein Vermögen mehr und alle Verbindlichkeiten wurden beglichen. Die Gründung Friedrichs des Großen endet damit nach 125 Jahren, nachdem sie schon seit einiger Zeit ein Scheindasein geführt hatte. /1/ S. 99-100

Siegel des Tuchmachergewerks zu Peitz 1828, Quelle: diese Webseite
Das Siegel des Tuchmachergewerks zu Peitz von 1828.

1900

Die Hochstimmung über den Eintritt in ein neues Jahrhundert endet in Peitz rasch. Im Februar müssen die Gebrüder BUCHHOLZ für ihre Tuchfabrik in der Cottbuser Straße 2-3 Konkurs anmelden. Das Grundstück gehört nun der Dresdner Bank, die mit einer Trikotfabrik die Produktion fortsetzt. Der erste Weltkrieg beendet diesen Textilstandort endgültig. Am 17.04.1900 brennt die Tuchfabrik in der Dammzollstraße 52 nieder. Allein das große straßenseitige Gebäude blieb schwer beschädigt stehen. Julius GRÜNDER und Bruno GRÜNDER bauen diese Fabrik nicht wieder auf und konzentrieren sich auf die Kammgarnproduktion im Plantagenweg und im Georgenhof/Ottendorf. Als der Absatz von Kammgarnprodukten einbricht, müssen auch sie 1906 Konkurs anmelden. 1910 gab es mit der Firma REHN in der Schulstraße 8 nur noch eine große Tuchmacherfabrik in Peitz.

Die industrieelle Tuchfertigung existiert in Peitz ab 1913 an drei Standorten noch bis zum Ende der DDR. Dazu gehören die Firma Carl REHN in der Schulstraße 6-8, zuletzt der Peitzer Betriebsteil des VEB Textilkombinat Cottbus, die Lausitzer Kunstwollspinnerei Georg MARX im Plantagenweg 3, zuletzt Teil des VEB Halbmond Teppiche und die Lausitzer Wollwerke FRANCKE in Ottendorf. Dieser Standort ist gewissermaßen der letzte, der heute noch industriell genutzt wird. Hier befindet sich ein Industriepark. Eine Reißwollproduktion gibt es aber nicht mehr.

Details zu den einzelnen Tuchmacherstandorten und ihrer Weiternutzung beim Übergang zur industriellen Fertigung sind in deren Beschreibung zu finden.