Will man verstehen, warum das Peitzer Amtsbuch um 1550 entstanden ist und welche Bedeutung es hatte, tut man gut daran, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, wie es zur brandenburgischen Exklave Cottbus/ Peitz in der böhmischen, später sächsischen Niederlausitz kam.
Als am 5. Juni 1462 in Guben ein Friedensvertrag zwischen dem König von Böhmen und dem Kurfürsten von Brandenburg geschlossen wurde, beendete dieser eine langjährige Phase juristischer Streitigkeiten und kriegerischer Auseinandersetzungen, während der der brandenburgische Kurfürst Friedrich versucht hatte, sich der gesamten Lausitz zu bemächtigen.
Dieser Versuch war misslungen. Lediglich die Herrschaft Cottbus und die Vogtei Peitz sowie einige andere kleine Exklaven verblieben in der Lausitz unter brandenburgischer Herrschaft. Nun war die Vogtei Peitz und das Cottbuser Gebiet eine vom Hauptlande abgetrennte Exklave in der böhmischen und seit 1635 sächsischen Niederlausitz (...) /4/ S. 40
Um diese Insel in einem oftmals feindlichen Umfeld auf Dauer regierbar zu gestalten, bedurfte es seitens des Landesherrn eindeutig festgelegter äußerer und innerer Herrschaftsgrenzen. Gleichermaßen notwendig war die eindeutige und damit schriftliche Fixierung der Besitzstände des Amtes. Und nicht zuletzt bedurfte es auch der detaillierten Festlegung der Rechte und Pflichten sowohl der Untertanen als auch ihrer Herren. Das allerdings ging nicht von heute auf morgen zu realisieren - (...) es dauerte (...) noch eine geraume Zeit bis eine geordnete und gleichmäßige Verwaltung Platz griff (...) /4/ S. 41
Neben den Notwendigkeiten der Herrschaftssicherung kam hinzu, dass sich - im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts beginnend - eine grundlegende Umformung der brandenburgischen Argrarverfassung vollzog. /6/ S. 30 Denn obwohl Kurfürst Joachim I. nach Ansicht von F. Groger für das Wohl seiner Untertanen ungemein tätig war /4/ S. 51 und er zum Beispiel bei Informationsreisen durch das Land versuchte, sich selbst ein Bild von den Zuständen zu machen, kam es doch schrittweise zu gravierenden Veränderungen zu ungunsten der Landebevölkerung.
So wurde 1518 der Gesindedienst der Untertanenkinder als Zwang eingeführt. 1527 wurde den Herren das Recht zugesprochen bei Streitigkeiten mit ihren Untertanen als einzige bei den höheren Gerichten gehört zu werden. Ab 1536 durften die Untertanen nur noch mit der Erlaubnis ihrer Herrschaften und bei Stellung eines Gewährsmanns das Dorf verlassen. Im gleichen Jahr wurde es möglich, Untertanen gegen Entschädigung zu enteignen. 1572 wurden mittels landesherrlichem Erlass zwei Tage Ackerdienst in der Woche zuzüglich eines Tages Bau- und extraordinärer Dienste als üblich und zumutbar fixiert.
All dies und weiteres in verbindlicher Form für die Amtsausübung vor Ort zu fixieren, dafür war die Erstellung von sogenannten Amtsbüchern geeignet. Sie wurden nicht nur in Brandenburg, sondern zum Beispiel auch im Kurfürstentum Sachsen auf landesherrlichen Befehl hin angelegt, auch weil sich die bis dahin üblichen mündlichen Verfahren der Überlieferung oder Einzelschriftstücke (z. B. Urkunden) als unzulänglich bzw. nicht ausreichend erwiesen hatten. /7/
Der Regierungsstil des ab 1535 in der Neumark und der Exklave Cottbus/ Peitz herrschenden Markgrafen Hans von Küstrin war für die damalige Zeit außerordentlich konsequent und auf Effektivität bedacht. Durch eine ganze Reihe von Verordnungen, die das bürgerliche Leben bis ins kleinste regelten, führte er Ordnung und Gleichmäßigkeit herbei (...) /4/ S. 55
Bereits zuvor hatte es seitens seines Vaters, des brandenburgischen Kurfürsten, Grenzfeststellungen im und um das Amt Peitz gegeben. Die Anlässe waren oftmals Grenzstreitigkeiten, die mittels früherer Urkunden und mündlicher Überlieferung nicht mehr geklärt werden konnten.
So wurde im Jahre 1504 durch eine vom Kurfürsten eingesetzte Grenzregulierungskommission ein Rezess herbeigeführt, der die Grenzen zwischen dem Amt Peitz und der Herrschaft Lieberose fixierte. /4/ S. 47 Eine umfassende und genaue Grenzbestimmung des gesamten Amtes Peitz wurde im Jahr 1509 vorgenommen. Sie belegt, dass das Amt zur damaligen Zeit eine wesentlich größere Fläche einnahm als heute. /4/ S. 48
Im Jahr 1511 setzte Kurfürst Joachim I. eine Verwaltungsreform in Kraft und stellte die beiden Ämter Cottbus und Peitz unter eine gemeinsame Leitung. Als Amtshauptmann für beide Ämter wurde ein Gewährsmann des Kurfürsten, Heinz RÖDER, berufen. RÖDER amtierte von Cottbus aus. /4/ S. 49
Das Peitzer Amtsbuch entstand vermutlich während der Amtszeit des sehr tüchtigen und erfahrenen, vom Markgrafen Hans von Küstrin sehr geschätzten Amtsmannes Heinrich von PACK. Er starb 1554 und wurde in der Oberkirche in Cottbus beigesetzt. /5/ S. 556-557
Für den ab 1554 von Cottbus aus amtierenden Berthold von MANDELSLOH war das Amtsbuch gewiss ein sehr wichtiges verwaltungsrechtliches Grundlagendokument - sozusagen eine Art "Verwaltungshandbuch" für das damalige Amt Peitz. Auch als 1575 der Peitzer Festungshauptmann Melchior von LOEBEN die Amtshauptmannschaft für Peitz übernahm - allerdings unter der Oberaufsicht der Cottbuser Amtshauptleute /5/ S. 557 - wird das Amtsbuch als gemeinsame Entscheidungs- und Handlungsgrundlage von Nutzen gewesen sein.
Ab 1600 übernahm der Cottbuser Amtshauptmann wieder alle verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten. In Peitz gewann damit der Amtsschreiber eine größere Selbständigkeit /5/ S. 557, wobei sein Handlungsrahmen sicherlich auch durch das Amtsbuch maßgeblich bestimmt war.
Welche Aufgaben ein Amtsmann zur Zeit der Entstehung des Amtsbuches hatte, darüber findet sich kein Dokument. Wohl aber hat der Kurfürst Johann Sigismund im Jahr 1617 die Rechte und Pflichten eines Amtmannes fixiert. So unter anderem: Des Amtsmannes Aufgabe soll es in erster Linie sein, die Religion und ihre Einrichtungen zu schützen, die Rechnungen zu prüfen, die Kirchen, Kirchhöfe und Pfarrhäuser in Ordnung zu halten, die Amtsordnung oft durchzulesen und streng zu befolgen, auf alle Amtseinkünfte genau zu achten und die vom Amtsschreiber geführten Erbregister auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu kontrollieren (...) /5/ S. 559
Die im Amtsbuch von 1554 fixierten Festschreibungen von Grenzen, Rechten und Pflichten erstreckten sich in ihrer Wirksamkeit über die Jahrhunderte. Die Frondienste zum Beispiel wurden erst im Zuge der preußischen Agrarreform im 19. Jahrhundert endgültig abgelöst. Viele der Gemarkungsgrenzen des heutigen Amts Peitz lassen sich bis zum Amtsbuch von 1554 zurückverfolgen. Besonders deutlich ist dies an der nördlichen Amtsgrenze wie die nachfolgende Abbildung zeigt. Katastergrenzen überdauern oft Jahrhunderte.